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Verjährungsbeginn des Pflichtteilsergänzungsanspruchs bei rückwirkender, postmortaler Vaterschaftsfeststellung (BGH, Urteil vom 13. November 2019, Az. IV ZR 317/17)

Verjährungsbeginn des Pflichtteilsergänzungsanspruchs

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Verjährungsbeginn des Pflichtteilsergänzungsanspruchs bei rückwirkender, postmortaler Vaterschaftsfeststellung (BGH, Urteil vom 13. November 2019, Az. IV ZR 317/17)

BGH, Urteil vom 13. November 2019, Az. IV ZR 317/17:
Der BGH hatte darüber zu entscheiden, ob der Anspruch eines Abkömmlings gegen die beschenkten Miterben auf Pflichtteilsergänzung auch dann verjährt ist, wenn der pflichtteilsberechtigte Abkömmling erst acht Jahre nach dem Erbfall erfahren hat, dass der Erblasser sein leiblicher Vater war.

Die Richter kamen zu dem Ergebnis, dass der einem pflichtteilsberechtigten Abkömmling gemäß § 2329 BGB gegen den Beschenkten zustehende Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2332 Abs. 2 BGB a.F. auch im Falle einer postmortalen Vaterschaftsfeststellung in drei Jahren ab Eintritt des Erbfalles verjährt.

Diese Entscheidung beruht auf folgendem Sachverhalt:
Der Kläger nimmt die Beklagten – seine Halbgeschwister und gesetzliche Erben des Erblassers – im Wege der Stufenklage auf Auskunft, Wertermittlung und Duldung der Zwangsvollstreckung wegen ergänzungspflichtiger Schenkungen nach dem Erblasser in Anspruch.

Als der Kläger 1964 geboren wurde, war dessen Mutter in erster Ehe verheiratet. Nach Scheidung dieser Ehe heiratete die Mutter des Klägers den Erblasser, aus dessen erster Ehe die beiden Beklagten hervorgegangen waren. Auch diese Ehe endete mit der Scheidung.

1995 und 2002 übertrug der Erblasser den Beklagten mehrere Grundstücke schenkungsweise und behielt sich daran jeweils ein Nießbrauchsrecht vor. 2007 verstarb der Erblasser. 2012 hat der Kläger die Vaterschaft des zwischenzeitlich vorverstorbenen ersten Ehemannes seiner Mutter angefochten. Mit Beschluss aus dem Jahr 2015 wurde festgestellt, dass Vater des Klägers nicht der erste Ehemann seiner Mutter, sondern der Erblasser war.

Sodann forderte der Kläger die Beklagten u.a. zur Auskunft über den Bestand des Nachlasses auf, woraufhin die Beklagten ein Nachlassverzeichnis mit einem negativen Nettonachlasswert erstellten. Die Beklagten beriefen sich außerdem auf die Verjährungseinrede.

Im November 2015 erhob der Kläger schließlich die Stufenklage, welche vom Landgericht und Oberlandesgericht zurückgewiesen wurde. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgte der Kläger seine Klageanträge weiter. Der BGH wies die Klage ebenfalls ab und begründete seine Entscheidung wie folgt:

Grundsätzlich gehöre der Kläger nach rechtskräftiger und rückwirkender Feststellung der Vaterschaft des Erblassers zwar zum Kreis der pflichtteilsberechtigten Abkömmlinge. Jedoch seien etwaige Pflichtteilsergänzungsansprüche aus § 2329 BGB nach § 2332 Abs. 2 BGB a.F. bereits bei Eingang der Klageschrift verjährt gewesen, so dass die mit der Stufenklage vorbereitend geltend gemachten Ansprüche auf Auskunft und Wertermittlung nicht begründet seien. Gem. § 2332 Abs. 2 BGB a.F. verjährt der Pflichtteilsergänzungsanspruch drei Jahre nach dem Tod des Erblassers. Dieser verstarb im Jahr 2007, die Klage wurde aber erst 2015 – nach erfolgreicher Vaterschaftsanfechtung – erhoben.
An diesem Ergebnis ändere auch nichts, dass der Kläger erst seit Rechtskraft des Beschlusses aus dem Jahr 2015, mit dem die Vaterschaft des Erblassers festgestellt wurde, die damit verbundenen Rechtswirkungen und auch mögliche Pflichtteils(ergänzungs)ansprüche geltend machen konnte.

Der Senat entschied, dass

  • der Verjährungsbeginn durch die Rechtsausübungssperre des § 1600 d Abs. 4 BGB a.F. nicht verzögert,
  • die Verjährung bis zur rechtskräftigen Feststellung der Vaterschaft des Erblassers nicht gehemmt und
  • eine verfassungskonforme Auslegung des § 2332 Abs. 2 BGB a.F. nicht geboten sei, sowie, dass
  • in der Erhebung der Verjährungseinrede durch die Beklagten keine unzulässige Rechtsausübung liege.

 

Im Einzelnen führten die Richter dazu aus:

Gemäß § 1600 d Abs. 4 BGB a.F. konnten vorliegend die Rechtswirkungen der Vaterschaft erst vom Zeitpunkt ihrer – rückwirkenden – Feststellung an geltend gemacht werden (sog. Rechtsausübungssperre). Umstritten ist, ob diese Rechtsausübungssperre den in § 2332 Absatz 2 BGB a.F. bestimmten Beginn der Verjährung bis zur Rechtskraft der postmortalen Vaterschaftsfeststellung hindert. Der Senat entschied, dass die Rechtsausübungssperre dem Beginn der Verjährung nicht entgegenstehe. Grundgedanke des Verjährungsrechts ist, dass gewisse tatsächliche Zustände, die längere Zeit hindurch unangefochten bestanden haben, im Interesse des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit nicht mehr in Frage gestellt werden sollen. Daher sei es geboten, sich eng an den Wortlaut der jeweiligen Verjährungsnorm zu halten. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 2332 Abs. 2 BGB a.F. komme es für den Beginn der Verjährungsfrist allein auf den Zeitpunkt des Erbfalles an. Eine Verschiebung des Verjährungsbeginns auf möglicherweise unabsehbare Zeit liefe auf eine Umkehr der gesetzlichen Wertung hinaus. Der Beschenkte habe ein berechtigtes Interesse daran, dass er ohne Rücksicht auf den Kenntnisstand des Pflichtteilsberechtigten nach kurzer Frist sicher sein könne, das Geschenk nicht wieder herausgeben zu müssen.

Des Weiteren ging der Senat davon aus, dass die Verjährung bis zur rechtskräftigen Feststellung der Vaterschaft auch nicht gehemmt sei. Eine entsprechende Anwendung des § 205 BGB, wonach die Verjährung gehemmt ist, solange der Schuldner auf Grund einer Vereinbarung mit dem Gläubiger vorübergehend zur Verweigerung der Leistung berechtigt ist, komme vorliegend nicht in Betracht. Entscheidend sei, ob der Parteiwille die Grundlage des Leistungsverweigerungsrechts bilde. Eine entsprechende Anwendung auf Fallgestaltungen, in denen diese Wertungsgrundlage nicht gegeben ist, scheide aus. Dies gelte auch für die Rechtsausübungssperre des § 1600 d Abs. 4 BGB a.F., weil sie nicht auf dem Willen der Parteien beruhe.

Auch verneinte der Senat eine Verjährungshemmung nach § 206 BGB. Hiernach ist die Verjährung gehemmt, solange der Gläubiger innerhalb der letzten sechs Monate der Verjährungsfrist durch höhere Gewalt an der Rechtsverfolgung gehindert ist. Diese im Interesse des Schuldners eng auszulegende Vorschrift erlaube jedoch keine Korrektur von Wertentscheidungen des Gesetzgebers. Die Verjährungsregelung des § 2332 Abs. 2 BGB a.F. dürfe daher auch durch § 206 BGB nicht umgegangen werden.

Auch sei eine verfassungskonforme Auslegung des § 2332 Abs. 2 BGB a.F. vorliegend nicht geboten. Zwar tangiere die gesetzliche Regelung sowohl das durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Erbrecht als Teil des Eigentumsrechts als auch das durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Recht ehelicher und nichtehelicher Kinder, weil sie die Durchsetzbarkeit des Pflichtteilsergänzungsanspruchs ohne Rücksicht auf seine – ggf. rückwirkende – Entstehung einschränke. Dennoch liege darin kein Verstoß gegen Grundrechte des Klägers. Denn der Schutz des Beschenkten rechtfertige es, einen überschaubaren Zeitraum festzulegen, innerhalb dessen der Beschenkte Klarheit darüber erhält, ob er ein Geschenk an den Pflichtteilsberechtigten herauszugeben habe oder nicht. Anderenfalls werde der Beschenkte unabsehbaren Haftungsrisiken ausgesetzt.

Darüber hinaus sei § 2332 Abs. 2 BGB a.F. auch mit Art. 6 Abs. 5 GG vereinbar. Hiernach sind den unehelichen Kindern durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern. Durch die Verjährungsregelung des § 2332 Abs. 2 BGB a.F. werden nichteheliche Kinder im Verhältnis zu ehelichen Kindern nicht unmittelbar schlechter gestellt. Denn auch eheliche Kinder müssen ihnen nach § 2329 BGB gegen Beschenkte zustehende Ansprüche innerhalb von drei Jahren nach dem Erbfall geltend machen. Allerdings ist der Kläger vorliegend zumindest mittelbar benachteiligt. Eine solche – nur in sehr seltenen Ausnahmefällen gegebene – Ungleichbehandlung sei jedoch durch sachliche Gründe gerechtfertigt, die nicht an die Ehelichkeit bzw. Nichtehelichkeit anknüpfen. Der Verjährungsregelung des § 2332 Abs. 2 BGB a.F. liege das Interesse des vom Erblasser noch zu dessen Lebzeiten Beschenkten an Rechtssicherheit zugrunde, das unabhängig davon bestehe, wann die Abstammung des pflichtteilsberechtigten Abkömmlings vom Erblasser festgestellt wird. Die Belange des Beschenkten überwiegen das Interesse des nichtehelichen Kindes an einem Aufschub des Verjährungsbeginns bis zur Rechtskraft der Vaterschaftsfeststellung. Denn im Regelfall sei das pflichtteilsberechtigte nichteheliche Kind dadurch hinreichend geschützt, dass es gegen den beschenkten Erben Pflichtteilsergänzungsansprüche gemäß § 2325 BGB geltend machen könne, die der regelmäßigen, kenntnisabhängigen Verjährung (§§ 195, 199 BGB) unterliegen. Nur wenn diese Ansprüche nicht weiterführten, kämen Pflichtteilsergänzungsansprüche nach § 2329 BGB in Betracht. In etwaigen Extremfällen, beispielsweise bei einer treuwidrigen Erhebung der Verjährungseinrede, könne gegebenenfalls Einzelfallgerechtigkeit über § 242 BGB geschaffen werden.

Schließlich, so der Senat, war es den Beklagten auch nicht gem. § 242 BGB wegen unzulässiger Rechtsausübung verwehrt, sich auf die Einrede der Verjährung zu berufen. Dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn besondere Umstände vorgelegen hätten, die die Einrede als groben Verstoß gegen Treu und Glauben hätten erscheinen lassen, z. B. wenn die Beklagten den Kläger von der rechtzeitigen Klagerhebung abgehalten hätten. Solche besonderen Umstände waren vorliegend nicht ersichtlich, auch wenn einer der Beklagten im Rahmen des Vaterschaftsfeststellungsverfahrens aussagte, mit dem Gedanken aufgewachsen zu sein, der Kläger könne sein Halbbruder sein.

Daher wies der BGH die Klage aufgrund der bereits eingetretenen Verjährung als unbegründet zurück.

Auch wenn der Fall hier an § 2332 a.F. hängt, verdeutlicht dieser Fall nochmals, wie wichtig es ist, die Verjährungsfristen im Auge zu behalten. Insbesondere ist bei Pflichtteilsergänzungsansprüchen gegen den Beschenkten zu beachten, dass diese drei Jahre nach dem Tod des Erblassers verjähren. Auf eine Kenntnis der genauen Umstände kommt es somit nicht an. Sofern also Zweifel an der Vaterschaft bestehen, empfehlen wir, das postmortale Vaterschaftsfeststellungsverfahren unverzüglich einzuleiten, um etwaige erbrechtliche Ansprüche fristgemäß geltend machen zu können.

Gern beraten wir Sie, wenn Sie überlegen, Pflichtteils(ergänzungs)ansprüche geltend zu machen. Sprechen Sie uns an!

Über die Autorin

Kristin Winkler Fachanwältin für Erbrecht und Steuerrecht, LL.M.

Rechtsanwältin

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  • Fachanwältin für Steuerrecht

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