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Testamentsgestaltung: Bankguthaben ist heutzutage auch „Barvermögen“

Auslegung eines Testaments: auch Bankguthaben ist heutzutage „Barvermögen“

Teasergrafik zum Beitrag im Blog für Erbrecht, Steuerrecht und Gesellschaftsrecht

Auslegung eines Testaments: auch Bankguthaben ist heutzutage „Barvermögen“

Modernes Bezahlen bedeutet vor allem Bezahlung mit Karte. Diese moderne Art der Bezahlung hat auch Auswirkungen auf die Auslegung des Begriffs „Barvermögen“ in einem Testament, wie das Oberlandesgericht Oldenburg mit Urteil vom 20. Dezember 2023 (Az.: 3 U 8/23) entschied.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:
In erster Instanz vor dem Landgericht Oldenburg (Az.: 4 O 1233/21) stritten die Klägerin und die Beklagten, allesamt Kinder des Erblassers, über die Auslegung des zugunsten der Klägerin im notariellen Testament enthaltenen Vermächtnisses. In diesem Testament hatte der Erblasser zugunsten seiner Tochter, der Klägerin, verfügt, dass diese bei Eintritt des Erbfalls 1/3 seines Barvermögens erhalten solle. Eine genauere Beschreibung, was der Erblasser mit „Barvermögen“ gemeint hatte, enthielt das Testament nicht. Zu dem Vermögen des Erblassers zählten ein Kontovermögen in Höhe von rund EUR 152.000,00, Genossenschaftsanteile in Höhe von EUR 3.000,00, Depotvermögen in Höhe von rund EUR 34.000,00 sowie Bargeld in Höhe von rund EUR 2.000,00.

Die Klägerin war der Auffassung, dass mit „Barvermögen“ im Testament das gesamte Vermögen des Erblassers gemeint sei, während die Beklagten vortrugen, mit „Barvermögen“ sei tatsächlich nur das Bargeld gemeint.

Auch der als Zeuge geladene Notar, vor welchem der Erblasser sein Testament errichtete, konnte keine Klarheit darüber schaffen, was der Erblasser mit dem Begriff des Barvermögens tatsächlich gemeint hatte.

Das Landgericht entschied, dass nach Auslegung des Begriffs des Barvermögens davon auszugehen sei, dass der Erblasser 1/3 seines gesamten Kapitalvermögens an die Tochter vermachen wollte. So verurteilte es die Beklagten zur Auszahlung eines Betrags, welcher neben dem Bargeld und Kontovermögen auch die Genossenschaftsanteile sowie das Depotvermögen als Grundlage hatte.

Gegen dieses Urteil legten die Beklagten Berufung ein, welche teilweise erfolgreich war.

Denn das OLG entschied, dass die Erforschung des Willens des Erblassers nur so weit reiche, als er zwar auch das vorhandene Kontovermögen mit „Barvermögen“ gemeint haben müsse, nicht aber die Genossenschaftsanteile und Wertpapiere. Denn heutzutage habe sich die Verkehrsanschauung des Begriffs „bar“ dahingehend verschoben, dass neben dem haptischen Bargeld auch sofort verfügbares Geld auf einem Konto gemeint sei, welches auch über eine Kartenzahlung abrufbar ist.

Das OLG ging daher davon aus, dass der Erblasser auch das sofort verfügbare Geld auf einem Konto mit dem Begriff „Barvermögen“ gemeint haben muss.

Wertpapiere und Genossenschaftsanteile würden nach dem OLG dagegen nur unter den weiteren Begriff des „Kapitalvermögens“ fallen.

Die Klägerin habe aber nicht genügend Beweis erbringen können, dass der Erblasser mit dem Begriff „Barvermögen“ eben auch jene Wertpapiere und Genossenschaftsanteile gemeint hätte.

Der Notar als Zeuge habe nicht sicher bekunden können, dass der Erblasser auch wirklich die Wertpapiere und Genossenschaftsanteile anteilig zum Vermächtnis zählen wollte. Er konnte nur bekunden, dass der Erblasser seinen gesamten Nachlass zwischen den Erben aufteilen wollte – dies könnte aber auch gemeint haben, dass die Genossenschaftsanteile und Wertpapiere nur den Beklagten zugutekommen sollte. Eine genaue Vorstellung des Erblassers könne nicht festgestellt werden.

Der Notar habe den Erblasser im Zuge der Testamentserrichtung auch explizit unter anderem nach Aktien gefragt, worauf dieser jedoch keine Antwort gegeben habe, sodass nicht geschlussfolgert werden könne, dass der Erblasser unter „Barvermögen“ auch Aktien verstanden haben könnte.

Der Zeuge konnte also im Ergebnis keine hinreichenden Angaben machen, die den wirklichen Willen des Erblassers hätten darlegen können.

Auch wegen der Tatsache, dass der Erblasser im Wege der vorweggenommenen Erbfolge noch zu Lebzeiten Grundbesitze an seine Kinder verteilt hatte, könne keine genaue Wertvorstellung des Erblassers im Hinblick auf eben diese Immobilen, sein damaliges gesamtes Vermögen und damit auch eine vom Erblasser gewünschte genaue Aufteilung seines Nachlasses durch das Gericht festgestellt werden.

Die Erforschung des OLG hinsichtlich des mutmaßlichen Willens des Erblassers ging also nicht über das allgemeine und moderne Verständnis des Begriffs „Barvermögen“ hinaus.

Praxishinweis: Als Testierende oder Testierender ist es daher ratsam, in einer letztwilligen Verfügung eine möglichst genau formulierte Regelung zu treffen, die keinen Auslegungsspielraum zulässt, sondern eine klare Vermögenszuordnung enthält, die ein Dritter verstehen kann. Die Formulierung einer solchen Regelung ist mitunter nicht immer einfach.

Wir beraten Sie gerne bei der Erstellung eines Testaments und sind per E-Mail unter willkommen@gwgl-hamburg.de oder telefonisch unter 040/300 39 86-0 für Sie da und freuen uns, von Ihnen zu hören oder zu lesen.

Über die Autorin

Kristin Winkler Fachanwältin für Erbrecht und Steuerrecht, LL.M.

Rechtsanwältin

  • Fachanwältin für Erbrecht
  • Fachanwältin für Steuerrecht

Tel.: 040 / 300 39 86 - 0

Fax: 040 / 300 39 86 – 66

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