Geerbtes Familienheim – Gestaltungsspielraum bei unverzüglicher Selbstnutzung möglich?
Der Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b bzw. 4c ErbStG für ein im Inland, der EU oder dem EWR (EU zzgl. Island, Lichtenstein und Norwegen) belegenes Familienheim im Sinne des § 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BewG kommt in Erbfällen eine besondere Bedeutung zu, da sich die Steuerbelastung für den Erben hierdurch erheblich reduzieren kann.
Nachteilig für den insoweit begünstigten Personenkreis potenzieller Erwerber (primär Ehegatte, Lebenspartner, Kinder sowie Stiefkinder des Erblassers) ist allerdings, dass die Steuerbefreiung nicht nur seitens des Erblassers grundsätzlich eine bis zum Erbfall andauernde Nutzung des Familienheims zu eigenen Wohnzwecken erfordert, sofern keine objektiv zwingenden Gründe (wie etwa die stationäre Pflegebedürftigkeit des Erblassers) die ununterbrochene Selbstnutzung verhindern. Voraussetzung für die steuerliche Privilegierung ist u.a. auch eine anschließende unverzügliche Selbstnutzung des Begünstigten, d.h. der ohne schuldhaftes Zögern zu erfolgende Einzug des Erben in das Familienheim.
Bis dato billigte die Rechtsprechung sowie die Finanzverwaltung dem Erben für die Dauer bis zum Einzug dabei regelmäßig immerhin einen Übergangszeitraum von bis zu sechs Monaten zu. Wird die Selbstnutzung des Familienheims durch den Erben hingegen erst nach Ablauf von sechs Monaten aufgenommen, muss der Erbe überzeugend darlegen und glaubhaft machen, aus welchen Gründen ein Einzug nicht früher möglich war und warum er diese Gründe nicht zu vertreten hat. Umstände im Einflussbereich des Erben (wie etwa eine Renovierung), die nach Ablauf des Sechsmonatszeitraums zu einer längeren Verzögerung des Einzugs führen, sind dabei naturgemäß nur unter besonderen Voraussetzungen dem Erben nicht anzulasten.
Nun zeigt ein Urteil des Finanzgerichts München (Urteil vom 26.10.2022 – 4 K 2183/21) erstmalig ein äußerst interessantes Gestaltungsmodell auf, um im Einzelfall die unverzügliche Selbstnutzung durch den Erben noch über die sechs Monate hinauszuzögern.
Zu den Einzelheiten:
Der Entscheidung des FG München lag die Konstellation zugrunde, dass die Erblasserin ihre bisher privat genutzte Wohnung infolge eines Umzugs in ein Pflegeheim aufgeben musste. Um Leerstand zu vermeiden, vermietete sie ihre Wohnung befristet für einen Zeitraum von vier Jahren. Als die Erblasserin sodann verstarb, lief der Zeitmietvertrag noch zwei Jahre, so dass die klagende Erbin (Tochter der Erblasserin) erst mit Ablauf der Befristung sowie nach einer anschließenden fünfmonatigen Renovierung einziehen konnte.
Während das zuständige Finanzamt die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG unter Verweis auf die mangelnde unverzügliche Selbstnutzung durch die Erbin ablehnte, gab das FG München der klagenden Erbin recht und gewährte die Steuerbefreiung. Nach Ansicht des FG München hatte die Erblasserin zum einen durch den Abschluss des Zeitmietvertrags ihre Wohnung als Familienheim weder zeitweilig aufgegeben noch mangelte es an der unverzüglichen Selbstnutzung durch die Erbin.
Die Erblasserin konnte ab einem gewissen Zeitpunkt infolge des gestiegenen Pflegegrades nicht mehr eigenständig ihren Haushalt führen, so dass zwingende Gründe sie an der Nutzung der Wohnung hinderten. Ferner hatte die Erblasserin auch ein berechtigtes Interesse an der Vermietung, da die Mieteinnahmen die Kosten der Unterbringung mitfinanzieren sollten. Die Befristung des Mietvertrags auf vier Jahre hatte dem Gericht zufolge den Vorteil, dass während der Laufzeit mit konstanten Mieteinahmen gerechnet werden konnte und nach Ablauf der Befristung die nahtlose sowie geplante Nutzung durch einen Familienangehörigen ermöglicht wurde. Bei Abschluss des Mietvertrags hatte die Erblasserin mit ihren 96 Jahren laut Sterbetafel des Statistischen
Bundesamtes dabei zudem noch eine durchschnittliche Lebenserwartung von 2,65 Jahren, so dass die gewählte Befristung von vier Jahren hierzu auch nicht völlig außer Verhältnis stand.
Durch die Befristung des Mietverhältnisses – und dem damit einhergehenden Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts – konnte die Erbin auch glaubhaft machen, dass sie an einer unverzüglichen Selbstnutzung der Wohnung aus rechtlichen Gründen, die nicht ihrer Sphäre entstammen, verhindert gewesen war. Die Klägerin war als Erbin und damit Rechtsnachfolgerin der Erblasserin schließlich in das Mietverhältnis eingetreten und damit bis zum Auslaufen des Vertrags zur Erfüllung verpflichtet gewesen.
Das Urteil des FG München stellt folglich klar, dass ein zu Lebzeiten des Erblassers eingegangener befristeter Mietvertrag – dessen Laufzeit sich an der statistischen Lebenserwartung des Erblassers orientieren sollte – den Erben aus objektiven Gründen an der unverzüglichen Selbstnutzung hindert und der unverzügliche Einzug – im Rahmen der üblichen Sechsmonatsfrist – erst ab Wegfall des Hinderungsgrundes erfolgen muss. So kann selbst bei einem Einzug viele Jahre nach dem Erbfall die Gewährung der Steuerbefreiung noch möglich sein.
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