E-Mail Fax Telefon

Missbrauch einer Vorsorgevollmacht und Kontovollmacht

Missbrauch einer Vorsorgevollmacht und Kontovollmacht

Teasergrafik zum Beitrag im Blog für Erbrecht, Steuerrecht und Gesellschaftsrecht

Missbrauch einer Vorsorgevollmacht und Kontovollmacht

Das OLG Brandenburg entschied mit Urteil vom 2. April 2019 (Az.: 3 U 39/18), dass in der Regel von einem Auftragsverhältnis mit rechtlicher Verpflichtung zur Rechnungslegung auszugehen ist, wenn ein Familienangehöriger auf Grund einer Vorsorgevollmacht Geldgeschäfte für ein anderes Familienmitglied erledigt.

Dieser Entscheidung lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

Der Kläger ist der Bruder des Beklagten. Beide sind Miterben nach deren im Jahr 2016 verstorbener Tante, der Erblasserin. Im Jahr 2006 hatte sie den Brüdern jeweils einzeln eine notarielle General- und Vorsorgevollmacht erteilt. Im Jahr 2009 erteilte die Erblasserin dem Beklagten außerdem eine Kontovollmacht über sämtliche ihrer Konten.

Im Jahr 2014, als die Erblasserin akut erkrankte und nach einem Klinikaufenthalt schließlich in ein Pflegeheim ziehen musste, missbrauchte der Beklagte die Kontovollmacht, indem er mehrfach unberechtigt Geld vom Konto der Erblasserin abhob. Hierfür wurde er wegen Betrugs in elf Fällen strafrechtlich verurteilt.

Der Kläger verlangte im Rahmen seiner Klage vom Beklagten Auskunft und Rechnungslegung über die Verwaltung des Vermögens der Tante. Zwischen 2011 und 2015 hatte der Bruder diverse Verfügungen über das Vermögen der Erblasserin getätigt, die nach Auffassung des Klägers unberechtigt waren. Das verweigerte der Beklagte, weil es sich seiner Meinung nach um ein Gefälligkeitsverhältnis und ein Vertrauensverhältnis gehandelt habe, die Tante selbst Geschäfte getätigt habe und zudem nie eine Rechnungslegung verlangt habe.

Das Landgericht erließ zunächst ein der Klage stattgebendes Versäumnisurteil gegen den Beklagten. Nachdem der Beklagte hiergegen Einspruch erhob, wies das Landgericht die Klage ab. Der Kläger legte gegen diese Entscheidung Berufung ein, woraufhin das angerufene OLG das erstinstanzliche Urteil aufhob und den Beklagten antragsgemäß verurteilte.

Der Senat kam im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass der Kläger gegen seinen Bruder einen Anspruch auf die begehrte Auskunft und Rechenschaftslegung nach § 666 BGB hat. Ein Miterbe könne gegenüber einem anderen Miterben nur dann Auskunft und Rechenschaft über die Verwendung einer Vollmacht verlangen, wenn zwischen dem Erblasser und dem bevollmächtigten Miterben ein Auftragsverhältnis nach § 662 BGB bestand. Diese Ansprüche gingen nach dem Ableben des Vollmachtgebers (hier: der Erblasserin) im Wege der sog. Universalsukzession gem. § 1922 BGB auf die Erbengemeinschaft über. Aus § 2039 BGB folge, dass die im Streit stehenden Ansprüche von jedem Miterben gegen andere Miterben geltend gemacht werden können.

Insbesondere bejahten die Richter das Vorliegen eines beiderseitigen Rechtsbindungswillens bei Erblasserin und Beklagtem. Gehe es um wesentliche Interessen –wovon bei Interessen wirtschaftlicher Art stets auszugehen sei –, müsse im Ergebnis ein Auftragsverhältnis angenommen werden.

Ein reines unverbindliches Gefälligkeitsverhältnis zwischen Tante und Beklagtem habe, entgegen der Auffassung des Beklagten, nicht vorgelegen. Auch schließe ein besonderes persönliches Vertrauensverhältnis zwischen den beiden das Vorliegen eines Auftrags nicht aus. Denn persönliches Vertrauen als solches sei in der Regel Voraussetzung für die Erteilung eines Auftrags.

Zudem verneinten die Richter das Vorliegen besonderer Umstände, aus denen der Beklagte hätte schließen können, dass mit Vollmachtserteilung seine Informations- und Rechenschaftspflicht entbehrlich sei. Aus dem Vorhandensein des Vertrauens sei ein Rückschluss auf die Entbehrlichkeit der Rechenschaft nicht zulässig.

Die Tatsache, dass die Tante trotz Vollmachtserteilung eine Zeitlang selbst noch Geschäfte tätigte, spreche ebenfalls nicht gegen einen Auftrag. So betonten die Richter: „Die Vorsorgevollmacht wird in der Regel oft schon weit im Voraus für den Fall erteilt, dass in der Zukunft zu einem noch nicht bekannten Zeitpunkt der Einsatz der Vollmacht erforderlich wird, weil die Geschäfte nicht mehr selbst ausgeführt werden können. Wie lange dies nach Erteilung der Vollmacht noch möglich ist, hat aber keinen Einfluss auf die Frage, ob mit dieser ein Rechtsbindungswille einhergeht und für den Fall, dass mit der Vollmacht Geschäfte getätigt werden, eine Rechenschaftspflicht verbunden sein soll.“

Auch der Einwand des Beklagten, die Tante hätte zu Lebzeiten von ihm keine Rechnungslegung verlangt, war unbeachtlich. Rechnungslegung könne immer dann verlangt werden, wenn sich „im Nachhinein Zweifel an der Zuverlässigkeit des Beauftragten aufdrängen“. Aufgrund der strafrechtlichen Verurteilung des Beklagten wegen Betrugs seien vorliegend Zweifel angebracht gewesen. Insofern muss der Beklagte nun die gewünschte Auskunft erteilen und vollumfänglich Rechenschaft ablegen.

Dieser Fall zeigt, welche (negativen) Folgen eine Vollmachtserteilung nach sich ziehen kann. Allerdings sollte dies Sie nicht davon abhalten, einer Vertrauensperson eine Vorsorgevollmacht zu erteilen. Dies kann im Falle Ihrer Handlungsunfähigkeit vieles erleichtern. Sie sollten allerdings die Auswahl mit Bedacht treffen. Um sich darüber hinaus vor einem Missbrauch zu schützen, können Sie beispielsweise zusätzlich einen Kontrollbevollmächtigten benennen, der die Geschäfte des Bevollmächtigten überwacht.

Haben Sie Fragen zur Erstellung einer Vorsorgevollmacht oder sind Sie Bevollmächtigter und unschlüssig, was Sie tun dürfen und was nicht? Wir beraten Sie gern. Auch zum Thema Patientenverfügung können wir Sie umfassend beraten.

Über die Autorin

Kristin Winkler Fachanwältin für Erbrecht und Steuerrecht, LL.M.

Rechtsanwältin

  • Fachanwältin für Erbrecht
  • Fachanwältin für Steuerrecht

Tel.: 040 / 300 39 86 - 0

Fax: 040 / 300 39 86 – 66

Back to Top