Das OLG Köln entschied vor kurzem, dass Nachlassverbindlichkeiten auch die für die Ermittlung des Nachlasswertes im Rahmen des § 2314 Absatz 1 BGB anfallenden Kosten für ein Gutachten sind.
Gutachterkosten sind jedoch keine Nachlassverbindlichkeiten, wenn nicht der Erbe, sondern der Pflichtteilsberechtigte ein Gutachten zur Wertermittlung eigenmächtig erstellen lässt. In einem solchen Fall lägen Kosten des Rechtsstreits i. S. d. § 91 ZPO vor, die erstattungsfähig sind, sofern die Einholung des Privatgutachtens notwendig war (OLG Köln, Beschluss vom 16.04.2018, 17 W 39/18).
Ursprünglich machte der Kläger Pflichtteilsansprüche gegen die Beklagten als Erben geltend. Im Laufe des Verfahrens beauftragten die Beklagten (Erben) einen Sachverständigen zur Ermittlung des Wertes einer Eigentumswohnung, nachdem sie durch Teil-Anerkenntnisurteil hierzu verurteilt worden waren. Hierfür fielen Kosten i.H.v. EUR 1.518,61 an. Das Landgericht Köln entschied in seinem Urteil hinsichtlich der Kosten des Rechtsstreits, dass der Kläger 70 % und die Beklagten 30 % der Verfahrenskosten zu tragen haben.
Die Beklagten meldeten daraufhin u.a. die ihnen durch das Privatgutachten entstandenen Kosten zur Festsetzung an. Sie sind der Auffassung, es handele sich hierbei um Kosten des Rechtsstreits, die entsprechend der Kostenentscheidung des Landgerichts aufzuteilen seien. Das Gutachten sei zur Bezifferung des Pflichtteilsanspruchs des Klägers von maßgeblicher Bedeutung gewesen. Es handele sich somit nicht um Nachlassverbindlichkeiten. Außerdem seien sie vom Kläger vorprozessual zu keinem Zeitpunkt aufgefordert worden, ein Wertermittlungsgutachten vorzulegen.
Der Kläger vertritt den Standpunkt, dass ihm bezüglich des Nachlasses als Pflichtteilsberechtigtem ein umfassender Auskunftsanspruch zugestanden habe. Dazu zähle auch der Wert einzelner Nachlassgegenstände. Die diesbezüglich angefallenen Kosten seien daher als Nachlassverbindlichkeiten von den Beklagten als Erben zu tragen.
Die Rechtspflegerin hat die Festsetzung bezüglich der für die Einholung des Privatgutachtens entstandenen Kosten entsprechend des Antrags der Beklagten durchgeführt, da das Privatgutachten im Hinblick auf einen konkreten Rechtsstreit eingeholt und vom Gericht in seinem Urteil verwertet worden sei. Der sofortigen Beschwerde des Klägers hat sie nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
Dieser kam zu dem Ergebnis, dass die sofortige Beschwerde Erfolg hat und der Kostenfestsetzungsbeschluss aufzuheben ist.
Gem. § 2314 Absatz 1 Satz 1 BGB haben die Beklagten als Erben dem Pflichtteilsberechtigten auf Verlangen Auskunft über den Bestand des Nachlasses zu erteilen. Auch steht ihm ein Wertermittlungsanspruch gem. § 2314 Absatz 1 Satz 2 BGB zu. Die Ermittlung des Wertes der Nachlassgegenstände erfolgt durch ein Gutachten eines unparteiischen und unabhängigen Sachverständigen (BGH Urteil vom 19.04.1989, AZ.: IVa ZR 85/88). Die dafür anfallenden Kosten fallen dem Nachlass zur Last und sind demnach Nachlassverbindlichkeiten, § 2314 Absatz 2 BGB.
Anders ist die Rechtslage, wenn nicht der Erbe, sondern der Pflichtteilsberechtigte als Auskunftsberechtigter ein Gutachten zur Wertermittlung eigenmächtig erstellen lässt. Die hierfür anfallenden Kosten kann er nicht auf den Nachlass abwälzen. Diese sind dann Kosten des Rechtsstreits nach § 91 ZPO. Die Erstattungsfähigkeit ist davon abhängig, ob die Einholung des Privatgutachtens notwendig war, um der Darlegungspflicht im Prozess Genüge zu tun und nicht davon, ob dem Pflichtteilsberechtigten ein Wertermittlungsanspruch nach § 2314 Absatz 1 Satz 2 BGB zustand.
Wenn der Erbe im laufenden Rechtsstreit ein Privatgutachten einholt, um ein Gerichtsgutachten zur Wertermittlung zu widerlegen, zu erschüttern oder gegenüber dem Prozessgegner „Waffengleichheit“ herzustellen, so handelt es sich ebenfalls um Kosten des Rechtsstreits nach § 91 ZPO, die entsprechend des Obsiegens bzw. Unterliegens den Parteien auferlegt werden.
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