Pflichtteilsanspruch des Enkels (Urteil OLG Hamm vom 26. Oktober 2017, Az.: 0 U 31/17)
Nicht immer ist in der Praxis unstreitig, wer Pflichtteilsberechtigter ist.
Das OLG Hamm hatte über Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche eines Enkels gegen die testamentarisch eingesetzten Miterben seines Großvaters zu entscheiden, wobei die Familienzugehörigkeit des Klägers streitig war.
In diesem Verfahren machte ein Enkel Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen die Erben seines Großvaters (den Erblasser) gem. §§ 2303, 2309, 2325 BGB erfolgreich gerichtlich geltend, obwohl der Großvater seinen Sohn, den Vater des Klägers, sowohl enterbt wie auch den Pflichtteil entzogen hatte. Hintergrund für die Enterbung und die Pflichtteilsentziehung waren die unbestrittene Drogensucht und eine rechtskräftig verurteilte Körperverletzung zu Lasten des Erblassers durch den Vater des Klägers. Der Erblasser setzte daraufhin seine Lebensgefährtin sowie seinen Bruder zu je ½ als Erben ein. Nachdem die Erben das umfangreiche Erbe auseinandergesetzt hatten, erhob der Kläger zur Durchsetzung seines Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruchs eine Stufenklage, die im 1. und 2. Rechtszug im Wesentlichen erfolgreich war.
Im vorliegenden Verfahren war zum einen streitig, ob der Kläger überhaupt Enkel des Erblassers und damit pflichtteilsberechtigt ist. Vorliegend hatte der Vater des Klägers, der Sohn des Erblassers, den Kläger direkt nach dessen Geburt anerkannt. Dies ging aus der vorgelegten Geburtsurkunde hervor. Ob der Kläger tatsächlich der leibliche Sohn war, war nicht ausschlaggebend. Vielmehr zählte hier die rechtliche Abstammung des Klägers von seinem Vater. Auch mögliche Motive für die Anerkennung der Vaterschaft blieben vom Gericht zu Recht unberücksichtigt.
Als entfernter Abkömmling des Erblassers stand dem Kläger ein Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch gem. § 2309 BGB zu. Hiernach sind entferntere Abkömmlinge des Erblassers (hier: der Enkel) insoweit nicht pflichtteilsberechtigt, als ein Abkömmling, der sie im Falle der gesetzlichen Erbfolge ausschließen würde (hier: der Vater des Klägers), den Pflichtteil verlangen kann oder das ihm Hinterlassene annimmt. Der Erblasser hatte seinerzeit seinen drogenabhängigen und gegen ihn gewalttätigen Sohn, den Vater des Klägers, sowohl wirksam enterbt, wie auch den Pflichtteil gem. § 2333 BGB wirksam entzogen.
Daher war der nächst nähere Abkömmling der Kläger. Im Gegensatz zu seinem Vater hat der Kläger sein Pflichtteilsrecht nicht verloren. Denn durch den wirksamen Pflichtteilsentzug des Vaters des Klägers, ist das eigene Erb- und Pflichtteilsrecht nicht ausgeschlossen worden. Der Erblasser hat in seinem notariellen Testament nur die Pflichtteilsentziehung bezogen auf seinen Sohn, jedoch nicht auf dessen Nachkommen angeordnet.
Somit stand dem Kläger letztlich ein Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch in Höhe von über EUR 900.000,- zu. Der hiergegen erhobene Einwand der Entreicherung gem. § 818 Abs. 3 BGB im Hinblick auf die vom Beklagten zu leistende Steuerschuld erkannte das Gericht nicht an. Diese Steuerschuld stelle eine persönliche Schuld des Erben dar und sei im Rahmen der Pflichtteilsberechnung nicht zu berücksichtigen.
Haben Sie Fragen zu möglichen Pflichtteils- oder Pflichtteilsergänzungsansprüchen? Wir beraten Sie gern!