Probleme der Auslegung eines gemeinschaftlichen Testamentes bei einer Patchworkfamilie (OLG Brandenburg, Beschluss vom 31. Januar 2019, Az. 3 W 37/18)
Eine unklare Formulierung in einem Testament kann zu erheblichen Streitigkeiten führen – wie der vorliegende Fall wiederum zeigt.
Das OLG Brandenburg entschied mit Beschluss vom 31. Januar 2019 (Az.: 3 W 37/18), dass die Formulierung in einem Ehegattentestament „Bei einem gemeinsamen Tod setzen wir unsere Kinder als Erben ein.“ bei Vorhandensein jeweils eigener Kinder der Ehegatten auslegungsbedürftig ist.
Dieser Entscheidung lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
Die Eheleute waren in jeweils zweiter Ehe miteinander verheiratet. Beide Ehegatten hatten aus erster Ehe jeweils zwei Kinder. Die Ehegatten errichteten ein gemeinschaftliches Testament (Ehegattentestament), in dem es u.a. heißt: „Wir setzen uns hiermit gegenseitig als Erben unseres Nachlasses ein. Bei einem gemeinsamen Tod setzen wir unsere Kinder als Erben ein.“
Zunächst verstarb die Ehefrau, Jahre später dann der Ehemann. Nach dem Tod des Ehemannes beantragte eines seiner Kinder (A) beim Nachlassgericht die Erteilung eines Erbscheins, der die beiden Kinder des Ehemannes (A und B) als gesetzliche Erben zu je ½ ausweisen sollte. A begründete seinen Antrag damit, dass das gemeinschaftliche Testament keine Regelung für den vorliegenden Fall, nämlich das Versterben der Eheleute nacheinander, enthalte. Die Eheleute seien hier zeitlich versetzt verstorben. Nur für den Fall des gemeinsamen gleichzeitigen Versterbens habe gelten sollen, dass alle Kinder gleichanteilig erben sollen.
Hiergegen wendeten sich die beiden Kinder der Ehefrau (C und D), die einen Erbschein beantragten, der alle vier Kinder zu je ¼ als Erben ausweisen sollte. Die Kinder gaben unter Zeugenbeweis an, dass es Wille der Erblasser bei Testamentserrichtung gewesen sei, alle vier Kinder nicht nur für den Fall des gleichzeitigen Versterbens der Eheleute, sondern auch für den Fall des erst längere Zeit späteren Versterbens des überlebenden Ehegatten als Schlusserben einzusetzen.
Das Nachlassgericht gab den Kindern des Ehemannes Recht und erteilte einen Erbschein, der Kinder des Ehemannes zu je ½ als Erben auswies. Hiergegen wendeten sich die Kinder der Ehefrau.
Das OLG Brandenburg hob nach Durchführung einer Beweisaufnahme die Entscheidung des Nachlassgerichts auf. Das gemeinschaftliche Testament sei unter Berücksichtigung der sog. Andeutungstheorie dahingehend auszulegen, dass die Erblasser ihre vier Kinder als Schlusserben des Letztversterbenden auch für den Fall eingesetzt haben, dass beide Ehepartner in längerem Abstand voneinander versterben.
Wörtlich enthalte das gemeinschaftliche Testament gar keine Schlusserbenbestimmung. Lediglich für den Fall des gemeinsamen Todes sollten alle Kinder Erben ein.
Daher war das gemeinschaftliche Testament auslegungsbedürftig. Ziel einer Auslegung ist es, den wirklichen Willen des Erblassers zu erforschen. Hilft der Wortlaut nicht weiter, muss das subjektive Verständnis der vom Erblasser benutzten Ausdrücke und Begriffe ermittelt werden. Darunter fällt das „gesamte Verhalten des Erblassers, seine Äußerungen und Handlungen, jedoch müssen sich mit Blick auf die Formerfordernisse des § 2247 BGB für einen entsprechenden Willen des Erblassers in der letztwilligen Verfügung, wenn auch nur andeutungsweise, Anhaltspunkte finden lassen.“
Im vorliegenden Fall kamen die Richter aufgrund der Zeugenvernehmungen zu dem Ergebnis, dass die Ehegatten mit der von ihnen gewählten Formulierung die vier Kinder als Schlusserben nach dem Tod des zuletzt verstorbenen Ehegatten einsetzen wollten. Sämtliche Zeugen gaben übereinstimmend an, zu verschiedenen Anlässen mit den Ehegatten über deren Testament und Erbeinsetzungen gesprochen zu haben. Es sei stets Wunsch der Ehegatten gewesen, dass alle Kinder nach dem Tod des Letztversterbenden gleich viel erhalten und der Nachlass gerecht geteilt werde.
Die vorliegend von den Ehegatten gewählte Formulierung „Bei einem gemeinsamen Tod…“ stelle auch im Hinblick auf das Formerfordernis des § 2247 BGB eine hinreichende Andeutung im Testamentstext dar, die das gefundene Auslegungsergebnis zulasse. Die Andeutung liege bereits in der gewählten Formulierung selbst, in der gerade nicht auf ein gleichzeitiges Versterben, sondern auf den gemeinsamen Tod abgestellt wird. Der Senat differenzierte hier zwischen den Adjektiven „gleichzeitig“ (= enger zeitlicher Zusammenhang) und „gemeinsam“ (= zusammen, miteinander, gemeinschaftlich).
Die Beschwerde der Kinder der Ehefrau war somit erfolgreich und der Beschluss des Nachlassgerichts war dahingehend abzuändern, dass alle vier Kinder gleichanteilig Erben des Ehemannes sind.
Wie man an diesem Fall wieder einmal feststellen muss, kann es im Nachhinein zu erheblichen Streitigkeiten kommen, wenn in einem Testament unklare, laienhafte Formulierungen verwendet werden. Dies kann vermieden werden, wenn Sie Ihr Testament mithilfe eines Anwalts erstellen, der Ihre Wünsche und Vorstellungen berücksichtigt.
Gerade bei Patchworkfamilien gibt es viel zu bedenken und das Testament sollte korrekt formuliert werden, um Ihre Lieben keinem Streit auszusetzen. Die Formulierung „gemeinsamer Tod“ wäre auch in einem gemeinschaftlichen Testament ohne Patchwork-Hintergrund auslegungsbedürftig, aber es hätte bei Einsetzung aller Kinder und keinem weiteren Testament mit anderer Erbeinsetzung nicht die Konsequenzen wie bei einer Patchworkfamilie, bei der ein Familienzweig ausgeschlossen sein könnte, wenn das Gericht zu einer anderen Auslegung gekommen wäre. Auch in unseren Blogbeitrag vom 20. Februar 2019 ging es bereits um die Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments bei einer Patchworkfamilie. Dort ging es um die Bedeutung von „unsere Kinder“.
Wenn Sie sich daher bei der Umsetzung Ihrer Vorstellungen Unterstützung wünschen, sprechen Sie uns gern an!