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Schenkung des Grundstücks für die Pflegschaft der Mutter: Beeinträchtigungsabsicht bzw. lebzeitiges Eigeninteresse einer durch gemeinschaftliches Testament gebundenen Erblasserin

Schenkung des Grundstücks für Pflegschaft der Mutter

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Schenkung Grundstück für die Pflegschaft der Mutter: Beeinträchtigungsabsicht bzw. lebzeitiges Eigeninteresse einer durch gemeinschaftliches Testament gebundenen Erblasserin

Das LG Koblenz hat in seinem Teilurteil vom 18. November 2021 (Az.: 1 O 222/18) entschieden, dass die Schenkung eines Grundstückes unter bestimmten Voraussetzungen zu Lebzeiten an ein Kind auch dann wirksam ist, wenn im Testament als Schlusserbe für das konkrete Grundstück ein anderes Kind vorgesehen war.

Dem Teilurteil liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Am 1. April 1969 errichtete ein Ehepaar ein privatschriftliches Testament, in dem die Ehegatten sich wechselseitig als Alleinerben einsetzten. Als Schlusserben wurden die drei gemeinsamen Kinder eingesetzt. Einer der Söhne, der Kläger, sollte ein bestimmtes Grundstück erhalten.

Nach dem Tod des Vaters 1974 erbte die Mutter als Vorerbin und die Kinder wurden zu Nacherben.

Am 14. August 2014 übertrug die Mutter ihrer Tochter aus dem Erbe ein anderes Grundstück. Zudem übertrug sie ihr auch ihren Miteigentumsanteil an dem Grundstück, das eigentlich der Bruder später bekommen sollte. Darüber hinaus räumte die Mutter zugunsten ihrer Tochter für dieses Grundstück ein kostenloses lebenslanges Wohn- und Gartennutzungsrecht ein. Im Jahr 2015 erteilte die Mutter ihrer Tochter eine notarielle Vollmacht.

Der Kläger, der eine Sohn, und die Beklagte, die Tochter, stritten nach dem Tod der Mutter um genau diese Schenkung. Der Kläger, die Beklagte und das dritte Kind, ein Bruder, bildeten eine Erbengemeinschaft.

Der Kläger trägt vor, dass die Mutter der Schwester das Grundstück nur geschenkt habe, um aufgrund eines persönlichen Zerwürfnisses sein Erbe zu schmälern. Die Mutter habe der Tochter das Grundstück nicht als Gegenleistung für eine etwaige Pflege geschenkt. Diese Pflege habe zudem nicht in einem den Wert des Grundbesitzes entsprechenden Umfang stattgefunden. Die Übertragung des Grundbesitzes und die Einräumung des Wohnungs- und Gartennutzungsrechtes verstoße gegen § 2287 Abs. 1 BGB, der auch für gemeinschaftliche Testamente gelte. Die Erblasserin habe mit Beeinträchtigungsabsicht zu Lasten des Klägers als Vertragserben im Sinne des § 2287 BGB gehandelt.

Die Beklagte trägt vor, dass sie ihre Mutter zu Lebzeiten intensiv gepflegt habe, was die Schenkungen rechtfertige. § 2287 Abs. 1 BGB sei nicht einschlägig, weil die streitgegenständlichen Zuwendungen jedenfalls durch ein evidentes lebzeitiges Eigeninteresse der Erblasserin gerechtfertigt seien.

Der Beklagte forderte die Herausgabe des Grundstücks, welches er erhalten sollte, an ihn selbst sowie die Übertragung des anderen Grundstücks an die Erbengemeinschaft. Daneben begehrte er die Bewilligung der Löschung des Wohn- und Gartennutzungsrechts.

Das Landgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen.

Der Vertragserbe kann gemäß § 2287 Abs. 1 BGB nach Erbanfall, für den Fall, dass der Erblasser in der Absicht, den Vertragserben zu beeinträchtigen, eine Schenkung gemacht hat, von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks fordern. Nach der BGH-Rechtsprechung (BGH NJW-RR 2012, 207 f.) ist diese Regelung auf wechselbezügliche letztwillige Verfügungen eines gemeinschaftlichen Testaments, das nach dem Tod des Erstverstorbenen unwiderruflich geworden ist, entsprechend anzuwenden.

Es bedarf nur geringer Anforderungen bezüglicher der Beeinträchtigungsabsicht des Erblassers. So genügt es, wenn der Erblasser weiß, dass er durch die unentgeltliche Weitergabe das Erbe schmälert. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung erfolgt sodann allerdings eine Missbrauchsprüfung. Der Erblasser muss das ihm verbliebene Recht zu lebzeitigen Verfügungen missbraucht haben.

Ein Anspruch auf Herausgabe der Schenkung bestehe daher nur, wenn die Erblasserin die Schenkung missbräuchlich ausschließlich zur Beeinträchtigung des Erbes des klagenden Sohnes vorgenommen hätte.

Sofern der Erblasser ein lebzeitiges Eigeninteresse an der von ihm vorgenommenen Schenkung hatte, liegt kein Missbrauch vor. Ein derartiges Interesse wird angenommen, wenn nach dem Urteil eines objektiven Beobachters die Verfügung in Anbetracht der gegebenen Umstände auch unter Berücksichtigung der erbvertraglichen Bindung als billigenswert und gerechtfertigt erscheint. Ein solches Interesse kann vorliegen, wenn es dem Erblasser um seine Versorgung und Pflege im Alter geht oder wenn der Erblasser mit der Schenkung jemanden danken wollte.

Auch die Bindung des Beschenkten durch die Schenkung an den Erblasser, zur Absicherung der eigenen Pflege, stellt ein gerechtfertigtes Interesse des Erblassers da.

Der Kläger müsste das Fehlen eines solchen Eigeninteresses beweisen, was er nicht konnte. Das Landgericht sah ein erhebliches Eigeninteresse der verstorbenen Mutter in der Schenkung an die Tochter.

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Über die Autorin

Kristin Winkler Fachanwältin für Erbrecht und Steuerrecht, LL.M.

Rechtsanwältin

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